Plattformökonomie Teil 1: Business Building, Conditions & Customer Lifetime Value
Das Thema Digitalisierung ist seit längerem auf Corporate Ebene in der Bundesrepublik Top Thema Nummer 1. Auch wenn hoch angesehene Consulting Firmen Best-Practice Analysen für den Vorstand vorbereiten und aufzeigen was bei Amazon, Zalando und AboutYou hervorragend funktioniert, wird man danach nicht die Plattform Nr. 1 im Schrauben und Dübel Bereich. Eine strategische Ausrichtung Plattformen zu etablieren ist nicht verkehrt, aber auch mit einer 100 Millionen Euro investition ist dies nicht zu bewerkstelligen. Plattformen brauchen mehr als nur Geld!
„Ich bin lieber die Bitch von Amazon, als vom eigenen Shop“
– Jörg Kundrath auf der K5 Konferenz, Founder & CEO von KAVAJ
Die Rede ist verstärkt in Richtung Plattformökonomie, jedoch ist hier bei den meisten Unternehmen ein falsches Verständnis über das Thema Plattform. Das Thema wollte ich zum Anlass nehmen und runterbrechen. Denn Digitalisierung ist kein (neuer) Kanal, sondern übergreifende Infrastruktur.
Unterschiedliche Produkte Services bilden das Ökosystem der Digitalen Champions
Mobile Hits wie Instagram, YouTube, WhatsApp, Facebook Messenger, Google Drive, GMail et al. haben den Markt und das Konsumverhalten der Internetnutzung schlagartig auf den Kopf gestellt. Jedoch machen die oben genannten Mobile Hits einen Bruchteil von den Digitalen Champions aus.
Es sind neue Plattformen entstanden – die GAFAs (Google, Amazon, Facebook und Apple), deren Ziel ist die ultimative Kontrolle des Endkundenzugangs. Wir erleben seit geraumer Zeit einen Paradigmenwechsel so nah, dass wir schon gar nicht bemerken wie sehr wir von den Services abhängig sind. Wir konsumieren mehrmals am Tag die Apps, wir sind gefangen in der Welt der GAFAs. Sie binden uns meisterlich mit ihren delikaten, ja wirklich schmackhaften Services in ihr Ökosystem und bauen um uns herum eine Welt auf Basis einer Kundenbeziehung. Bemerkenswert ist, dass wir noch nicht einmal aus Bequemlichkeitsgründen aus dieser Welt aussteigen wollen, weil es uns auch sehr gefällt. Für die meisten Nutzer wäre der Ausstieg von den jeweiligen Plattformen absurd oder undenkbar.
Betrachtet man im Umkehrschluss die Plattform Seite, geht ebenfalls die strategisch taktische Planung der Digitalen Champions aus dem Silicon Valley vollständig auf. Das Kernmodell sowie die darum entstanden Services werden aggressiv verteidigt, verbessert und weitere Trends geschaffen. Die GAFAs sind getrieben in lösen von sehr großen Problemen und erst im Nachgang überlegen sie wie man mit dem regelmäßig gelösten Problem Geld verdient. Die Idee steht vor dem Geschäftsmodell, klingt komisch, entspricht aber vollkommen den Silicon Valley Mindset. Zusammengefasst bedeutet das, ich löse ein relevantes Problem, was häufig, regelmäßig und dringlich bei einem Nutzer entsteht. Erst wenn die Idee auf Basis der genannten KPI’s funktioniert, habe ich im Nachhinein die Hoheit über Zahlungsbereitschaft zu denken (Business Model).
Wiederkehrende Zahlungsbereitschaft durch den Nutzer verspricht nicht den Geschäftserfolg, solange ich mit dem Service nicht Austauschbar bin. Welchen Nutzwert bringt es am Ende des Tages, wenn ich eine Lösung habe die dasselbe relevante Problem löst wie ein weiterer Wettbewerber, jedoch preiswerter aufgestellt als mein eigener Service. Also die Austauschbarkeit meiner Lösung darf nicht innerhalb meiner Zielgruppe gegeben sein. Das Lösen von relevanten Problemen, die Regelmäßig und Häufig entstehen ohne die Austauschbarkeit zu gewährleisten, setzt indirekt klassisch bestehende Vertikale Geschäftsmodelle unter Druck. Es ist natürlich unsinnig einen Bleistift via Same Day Delivery von Amazon zu beziehen, aber diese Art von Logistik-Kompetenz kann kein Rewe oder ein anderes Retail Unternehmen bis heute vorweisen. Was passiert eigentlich wenn Amazon Go auf dem deutschen Markt launched, auch hier wird Amazon das Thema „Letzte Meile“ umfassender angehen. Die Devise ist, „Ware zum Kunden“ und nicht „Kunde zur Ware“.
Endkundenzugang à la Silicon Valley, was steckt dahinter und was ist damit gemeint?
Ich hatte zu Beginn das Wort „Endkundenzugang“ erwähnt gehabt, worüber die GAFAs dieser Welt den Nutzer in ihr Territorium stark binden. Ein Nutzer kann heute nicht nur über sein Browser oder durch seine Mobile App in die Welt der GAFAs gelangen, sondern auch über Betriebssysteme und Devices. Um ein paar Beispiele zu nennen:
- Amazon mit dem Dash Button sowie Prime, Wardrobe, Fulfillment, Marketplace,
- Google mit ihrem Google Auto, Play Store, Android, Google Assistent (AI), Android Wear, Nest, Chromecast, Google Home etc.
- Facebook mit ihrem Messenger sowie auch WhatsApp, Instagram, Facebook Buy
- Apple mit dem Sprachassistenten iPhone (Siri) sowie Apple Pay, iOS, Apple Watch, CarPlay, App Store, AppleTV
Ob der Kundenzugang via Voice, Chat oder Notification Services gewährleistet wird ist zweitrangig. Im Wesen jedoch sind diese Plattformen rein digitale Unternehmen die jegliche Physische Dinge nur Mittel zum Zweck nutzen, um die Nutzer an die Plattform zu binden.
Haben horizontale Geschäftsmodelle noch ihre Daseinsberechtigung? Hängt davon ab in welcher Branche man sich bewegt bzw. bewegen möchte. Elektronik denke ich und da finde ich bestimmt viele Befürworter, wird nicht funktionieren im Zeitalter von Amazon. Außer man mietet sich den Endkundenzugang über amazon worüber dann bestimmte E-Commerce Artikel verkauft werden können (Beispiel: Anker, Klarstein…). Auch hier ist wieder die Frage, womit hebt sich das Produkt von bestehenden Playern am Markt ab? Design, Preis, womöglich über User Experience oder die Marke selbst (Beispiel: Kärcher).
Auf Basis eines Kundenzugangs bei Amazon kann ich diverse E-Commerce Verticals nutzen, wie:
- Amazon Books (Libri Sortiment) – Bücher (haptisch und ebooks), sowie den dazugehörigen eBook Reader „Kindle“.
- Amazon Elektronik – Elektronikartikel jeglicher Art stehen zum Verkauf zur Verfügung,
- Amazon Prime – Clubmitglieder genießen diverse Vorteile wie schnelle Lieferung,
- Amazon Pay – Ein OAuth Bezahldienst von Amazon, die sich Online Shops einbinden können.
- Amazon Fresh – Lieferung von Nahrungsmitteln
- Audible – Hörbücher bestellen und hören.
- Same Day Delivery – Stündliche Zeitfenster Buchung und Lieferung mit einem Klick bei dir zuhause!
- AWS – Amazon Web Services Cloud Infrastruktur
- Amazon Fulfillment – Als Anbieter/Händler Produkte über Amazon verkaufen und die Logistik Kompetenz beanspruchen.
- Amazon Launchpad – Startups einen Marktplatz für ihre Produkte zu bieten.
- und viele mehr…
Wie ersichtlich wird, bedient Amazon unterschiedliche Verticals mit beindruckenden Umsätzen (Eigen- sowie Fremdumsatz). In Anbetracht der oben genannten Verticals lässt sich mit einem „1-Klick“ schnell der Endkundenzugang in unterschiedliche Services nutzen. Alles hat auch hier seine Vor- und Nachteile, jedoch ist die Kundenzufriedenheit in der Amazon Plattformökonomie so hoch, dass die Nutzer es gar nicht einsehen ihre Produkte und Services die sie nutzen, mit einem anderen Dienst auszutauschen. Amazon Nutzer sind nicht nur einfach zufrieden, sie wurden zufrieden gemacht und haben sich an die hohe Verlässlichkeit der Services gewöhnt.
Marken mischen sich ein, spielen eine relevante Rolle und werden unverzichtbar.
Das bedeutet für Amazon, eine Austauschbarkeit der hauseigenen Services durch andere Marktplayer ist durch den Nutzer nicht gegeben, weil sie mit dem Amazon Services zufrieden sind. Amazons 1-Click Shopping Erlebnis hat im Gespann mit Prime die Erwartungen im Online Shopping Experience stark auf den Kopf gestellt und bringt Wettbewerber stark unter Druck. Beispielsweise hat UBER in dem Kontext im Bereich Mobility dieselbe Logik von Amazon übernommen. Wir haben mit nur 1-Klick ein UBER-Taxi vor uns stehen. Genau das gleiche wie mit dem Dash Button von Amazon.
Wann ist man denn eigentlich eine Plattform?
Je weniger Eigengeschäft generiert werden muss und je mehr Fremdgeschäft sozusagen den Ertrag ausmachen, macht eine Plattform aus. Das Modell kann auf Basis von Handelspartnern/3th Party Services aufgesetzt sein.
Das ist eine Plattform.
In a Nutshell
Ein relevantes Problem, was eine gewisse Dringlichkeit hat, also eine Tätigkeiten die vom Nutzer häufig durchgeführt wird und Regelmäßig (häufig) über unterschiedliche Kanäle gelöst werden, ist das Werteversprechen der GAFAs.
Wenn relevante Probleme regelmäßig gelöst werden können, hat das den Charmanten Vorteil in Customer Lifetime Values zu den Denken und nicht in Transaktionen. Wenn man diese Kunden in der Wiederholungstransaktion auch gut bedient (was die GAFAs meisterlich beherrschen), schafft man damit eine gewisse Kundentreue zu erzeugen. Der Benefit von Kundentreue ist, das Loyale Nutzer in der Regel mit weniger Marketingkosten belastet sind. Somit steigt letztendlich die Marge, weil keine zusätzlichen Investitionen benötigt werden um den Nutzer wieder auf die Plattform zu holen. Somit erhöht sich auch letztendlich die Verteidigbarkeit des Geschäftsmodells, weil ich mit dem was ich tue schwer Austauschbar bin gegenüber den anderen Markt Playern.
Endkundenzugang ändert rapide die Spielregeln auf dem Markt. Wenn der Einflussfaktor meines Business über eine bestimmte Zeit auf Basis von Kompetenz, Umsatz und User Anzahl einen Reifegrad erlangt haben, kann ich mein bestehendes Business (falls Sinnvoll) in eine Plattform umwandeln und weitere Services darauf aufbauen. Infrastruktur-, Warehouse-, Logistik-, Dienstleistung-Kompetenz oder auf Basis eines SDK’s , sind klassische Hebel den Endkundenzugang zu kontrollieren, zu vermieten und auszubauen.
Plattformen entstehen nicht von heute auf morgen, sondern über ein konkretes Geschäftsmodell. Plattformen entstehen über eine bestimmte Zeit mit darauf aufbauenden kundenorientierten Services die den hohen Anforderungen der Kunden weitestgehend befriedigen. Das ist eines der Gründe warum die GAFAs aus dem Silicon Valley die Digitalen Champions sind.
Über das Thema Customer Lifetime Value werde ich im zweiten Teil vertieft eingehen und beschreiben wie hier die Unternehmen aus dem Silicon Valley meist ohne Customer Care sogar auskommen! Mehr dazu bald – Plattformökonomie Teil 2: Customer Lifetime Value und Secret Sauce.
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